Straßenfotografie

von Erik Boß

Foto: Bericht der Berliner Zeitung vom 24.02.2015 über die Ausstellung von Vivian Maier

Noch bis April ist im Willy-Brandt-Haus die Fotoausstellung von und über die Straßenfotografin Vivian Maier zu sehen. Diese Fotografin ist im Jahr 2009 im Alter von 83 in Chicago gestorben. Von Beruf war sie Kindermädchen, sie fotografierte ihr ganzes Leben lang, hat aber nie irgendwo veröffentlicht. Hundertausende von Straßenbildern wurden in ihrem Nachlass entdeckt und werden jetzt der Öffentlichkeit präsentiert.

Im vergangenen Jahr lief im Kino der Dokumentarfilm "Finding Vivian Maier", den ich mir damals angesehen habe. Dieser Film hat mich seinerzeit sehr bewegt, es ist ein sehr ehrlicher Film. Er zeigt eine Person voller Widersprüche, aber auch voller Fragen. Jedenfalls ist es so, dass Vivian Maier eine hervorragende Fotografin war – und als Zuschauer habe ich meine Arbeiten natürlich mit ihren verglichen und muss eingestehen, dass ich von dieser Qualität doch meilenweit entfernt bin. Respekt. Der Preis ihrer herausragenden Fotografien war jedoch ihre Einsamkeit, sie war kaum sozial eingebunden. Sie wollte oder konnte mit anderen Menschen nichts zu tun haben, und andere nichts mit ihr.

Natürlich würde ich gerne wie Vivian Maier fotografieren, aber es geht nicht. Ich kann einfach nicht cool auf andere Menschen draufhalten. Ich spüre ja selbst, das ist Grenzüberschreitung. Vivian Maier war ein Paparazzo. Für die Straßenfotografie ist Vivian Maier deshalb aber so bedeutsam, weil über sie der künstlerische Wert von Straßenfotografie jetzt noch einmal neu diskutiert werden kann. Man kann nicht gleichzeitig Vivian Maier feiern und gleichzeitig aktuelle Straßenfotografen diskreditieren. Am 26.01.2015 berichtete die Berliner Zeitung über den Berlin Fotografen Espen Eichhöfer, der ungefragt ein Foto einer ihm unbekannten Passantin veröffentlicht hatte. Diese hat daraufhin den Fotografen verklagt – sie wollte schlicht und einfach Geld, zum Glück ist dieser Teil des Verfahrens abschlägig beschieden worden. Allerdings hat das Gericht festgestellt, dass die Persönlichkeitsrechte der Passantin verletzt wurden, der Fotograf ist deshalb in die Revision gegangen, Ausgang offen. In den USA ist die Rechtslage anders, aber hätte Vivian Maier in Deutschland fotografiert, würde sie dann auch so posthum als Künstlerin gefeiert werden? Oder als Rechtsbrecherin?

Meine Meinung ist, dass nicht jedes Foto von unbekannten Passanten bereits eine Persönlichkeitsverletzung darstellt. Dies würde ich erst dann so sehen, wenn das Foto geeignet ist, die abgebildete Person herabzuwürdigen oder sogar bloßzustellen. Die meisten Straßenfotos, die man so aus dem Internet kennt, etwa bei Flickr oder bei Instagram, sind so harmlos, dass sicherlich keine Rechte verletzt werden.

In dieser Woche kann ich leider keine aktuellen Fotos präsentieren, ich konnte mir die Ausstellung auch noch nicht anschauen, weil ich wegen einer Erkrankung zu Hause bleiben musste. Deshalb gibt es in dieser Woche aus meinem Fundus ein paar eigene – hier zum Teil unveröffentlichte - Straßenfotografien zum Thema Großstadtleben.

Vielen Dank für euer/Ihr Interesse an meinem Foto-Blog.
Erik Boß

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